Lerntherapeutische Naturpädagogik

Naturpädagogik und Flow Learning

Die Waldpädagogik ist eine Form der Naturpädagogik und soll ganzheitlich durch praktisches Erleben und Lernen ökologische und gesellschaftliche Zusammenhänge in Wald und Natur nahebringen und somit der Naturentfremdung entgegenwirken. Joseph Cornell, amerikanischer Naturpädagoge, ist in den 1980er mit dem  Konzept des „Flow Learning“ bekannt geworden.

Die Grundidee des Flow Learnings ist überraschend einfach, wie Cornells Beobachtung zeigt: „Das Wichtigste, was ein Kind mitbringt, sind seine Begeisterung, seine Neugier und seine staunende Wahrnehmung. Wenn wir  diesen Eigenschaften nicht den nötigen Raum geben, zerstören wir den Teil, der die Hand ausstreckt und das Leben umarmt“.

Das Flow Learning leitet in drei aufeinanderfolgenden Schritten von der Bewusstheit zum Handeln. Zunächst gilt es, Begeisterung und Aufmerksamkeit zu wecken, dann die Wahrnehmung zu konzentrieren und  schließlich das Eintauchen in das Erleben zu erleichtern. Auf diese drei Schritte folgt ein vierter, bei dem man einander an den eigenen Erfahrungen teilhaben lässt. So wird das Erlebte in nachhaltige und tief verankerte  Erinnerungen umgewandelt.

Gemeinsamkeiten von Natur-/Waldpädagogik und der Lerntherapie

„Kinder sollten, soweit das möglich ist, artgerecht aufwachsen: mit genug Natur, Möglichkeiten zum Klettern, Spielen, Kreativ- und Fantasievoll-Sein“ Stefan Reiner

Die ganzheitliche Lerntherapie nach Stefan Reiner und die Natur- und Waldpädagogik haben viele Parallelen, bzw. Ansätze und Ziele:

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Wald statt Ritalin, Studienbeispiele – Ruhe und Grün dämpfen ADHS

Diverse Studien weisen den Wald als heilsam und gesundheitsfördernd aus, besonders bei ADHS,  Konzentrationsschwierigkeiten, bei sozioemotionalen oder Wahrnehmungsstörungen. Im Folgenden sind drei Studienbeispiele aufgeführt:

Kinder mit der Aufmerksamkeitsstörung ADHS benötigen möglicherweise nur eine ordentliche Prise Natur, damit sie sich besser konzentrieren und eine Weile stillsitzen können. Forscher der Universität von Illinois fanden heraus, dass schon ein 20-minütiger Spaziergang durch den Park den Zappelphilipp beruhigt und seine Konzentration verbessert.

Für die aktuelle Studie nahmen die Wissenschaftler*innen die Kinder auf Spaziergänge in drei verschiedene Umgebungen – Park, Innenstadt und Wohnsiedlung – mit und ließen sie anschließend einen Aufmerksamkeitstest absolvieren. Das Ergebnis: Je mehr Natur ein Spaziergang zu bieten hatte, umso besser
schnitten die Kinder beim Test ab. Der Park rangierte vor dem Wohngebiet und dieses vor der Innenstadt. An einem Tag hatten die Forscher die Kinder gebeten, die normalerweise Ritalin einnehmen, für den Spaziergang darauf zu verzichten – mit positivem Effekt, zumindest im Park. Eine Dosis Natur konnte ohne Weiteres die
Arznei ersetzen.

2011/2012 wurde unter der Federführung des Waldpädagogen Peter Vieres in Zusammenarbeit mit der FH für Heilpädagogik und einer Förderschule eine Studie zum Thema „Wald statt Ritalin“ durchgeführt. In den Wald mit dem Zappelphilipp – geht das? Hyperaktive Kinder, die sich leicht ablenken lassen und nicht stillsitzen können einerseits, eine Umgebung, die wie keine andere Ruhe und Räume für Besonnenheit symbolisiert auf der anderen Seite. „Klar funktioniert das“, sagt Peter Vieres.

Es wurde der Fragestellung nachgegangen, ob der Aufenthalt und die Beschäftigung mit der Natur sich positiv auf die Konzentrations-, die Wahrnehmungsfähigkeit und das Wohlbefinden von Kindern mit dem ADHS auswirkt. Durch gezielte waldpädagogische Maßnahmen wurden positive Ergebnisse erzielt. ADHS-Kinder, die sich regelmäßig im Grünen aufhalten, zeigen generell weniger stark ausgeprägte Symptome als solche, die selten in die freie Natur kommen

Entsprechend Hüthers These: Kinder brauchen Impulse, neue Erfahrungen und Abenteuer, um ihr Gehirn, ihre Gefühlswelt, also ihre Persönlichkeit zu entfalten – verbringen elf Kinder zwischen neun und dreizehn Jahren mit drei Betreuern acht Wochen ohne Medikamente auf einer Südtiroler Alm.

Die Kinder erleben Natur, melken, schnitzen, hacken Holz, bauen Brücken…versorgen sich selbst, tragen Verantwortung. Sie schlichten Streit, führen viele Gespräche. Starke Kinder, die ihre Standpunkte klar
formulieren können. Kinder, die in den acht Wochen „Ballast abwerfen“: Schul-Druck, Familien-Alltag, Außenseiter-Sein. „Ich kann etwas, ich bin für die Gemeinschaft wichtig. Die Gemeinschaft ist für mich wichtig. Diese Erkenntnis ist das Gepäck, das für das Leben wichtig ist“, so Hüther. „Die Kinder haben ihre Gaben gezeigt und genutzt, um wieder zu sich zu finden. Wichtig dabei waren Natur- und Gemeinschaftserfahrungen. Konkrete, am eigenen Leib gemachte Erfahrungen in der Natur mit allen Sinnen reduzieren deutlich die Symptome.“

Das Almprojekt mit Jugendlichen von Gerald Hüther weist darauf hin, dass der durchdachte Einsatz von Naturerfahrungen Symptome der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung verringert, sowie kognitive Fähigkeiten und die Widerstandskraft gegen negative Belastungen und Depression verbessert.